Das Wichtigste zur Verwirkung von Ansprüchen
§ 242 BGB regelt den Grundsatz von Treu und Glauben. Er soll verhindern, dass der Gläubiger sein Recht auf rechtsmissbräuchliche Weise durchsetzt. Ein Unterfall dieses Grundsatzes ist die Verwirkung, die noch vor der Verjährung eines Anspruchs eintreten kann.
Verwirkung bedeutet, dass ein Gläubiger längere Zeit nichts unternimmt, um seinen Anspruch durchzusetzen. Gleichzeitig erweckt sein Verhalten objektiv den Eindruck, dass er seinen Anspruch gar nicht mehr geltend machen will. In einer solchen Situation darf der Schuldner dann auch darauf vertrauen, dass der Gläubiger seinen Anspruch nicht mehr geltend macht, und sich entsprechend einrichten. Der Gläubiger hat seinen Anspruch damit verwirkt. Mehr erfahren Sie hier.
Verjährung tritt nach Ablauf der Verjährungsfrist ein. Der Gläubiger kann seine Forderung nicht mehr durchsetzen, wenn sich der Schuldner auf die Einrede der Verjährung beruft. Anders als bei der Verjährung reicht es bei der Verwirkung nicht, dass ein bestimmter Zeitraum vergeht. Vielmehr setzt diese Einwendung einen Zeit- und Umstandsmoment voraus, wie Sie hier nachlesen können.
Inhaltsverzeichnis

Was bedeutet Verwirkung?
Ein Gläubiger erwirkt gegen seinen Schuldner einen Vollstreckungstitel. Dann passiert 13 Jahre lang nichts. Der Gläubiger unternimmt in dieser Zeit rein nichts, um seine Forderung durchzusetzen. Für den Schuldner ist das ein unangenehmer Zustand – auch weil die titulierte Forderung erst nach 30 Jahren verjährt, sofern die Verjährungsfrist nicht sogar neu beginnt oder unterbrochen wird. Dann dauert es sogar noch länger, bis die Schulden endgültig verjähren.
Findige Schuldner könnten versuchen, sich in einem solchen Fall auf die Verwirkung zu berufen, einen Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung durch den Gläubiger. Dieses auf Grundsatz von Treu und Glauben basierende Institut schützt ausnahmsweise das Vertrauen des Schuldners, also seinen „Glauben“, dass er den Anspruch des Gläubigers nicht mehr erfüllen muss.
Die auf § 242 BGB basierende Verwirkung soll rechtsmissbräuchliches und illoyales Verhalten des Gläubigers ausschließen. Sie greift aber nur, wenn die Durchsetzung seiner Forderung für den Schuldner unzumutbar ist. der Bundesgerichtshof hängt die Latte hier allerdings sehr hoch und bejaht eine Verwirkung nur sehr selten.
Verwirkung von titulierten Forderungen – Voraussetzungen

Bevor ein Gläubiger seinen Anspruch verwirkt, muss deutlich mehr passieren, als einfach nur Zeit vergehen. Der Bundesgerichtshof (BGH) verlangt neben dem bereits angedeuteten Zeitmoment für die Verwirkung auch einen Umstandsmoment.
In seinem Urteil vom 9. Oktober 2013 (Az. XII ZR 59/12), in dem es tatsächlich um die Durchsetzung einer titulierten Forderung nach 13-jähriger Untätigkeit des Gläubigers ging, formuliert er dies so:
„Danach ist ein Recht verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde. Die Annahme einer Verwirkung setzt somit neben dem Zeitablauf das Vorliegen besonderer, ein solches Vertrauen des Verpflichteten begründender Umstände voraus.“
Das bedeutet Folgendes:
- Als Erstes bedarf eines bestimmten Zeitmoments. Der Gläubiger muss also lange Zeit untätig geblieben sein und nichts unternommen haben, um seinen Anspruch durchzusetzen. Wie viel Zeit genau vergehen muss, hat im Zweifel ein Gericht anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Ob die besagten 13 Jahre in dem oben geschilderten Fall ausreichten, erklärt der BGH in seinem Urteil allerdings nicht. Er konzentriert sich gleich auf die nächste Voraussetzung.
- Als Zweites setzt die Verwirkung einen sogenannten Umstandsmoment voraus. Es bedarf weiterer, auf dem Verhalten des Gläubigers beruhender Umstände, die das Vertrauen des Schuldners darauf rechtfertigen, dass der Gläubiger seinen Anspruch nicht mehr geltend machen werde.
Bei der Verwirkung spielt demnach das Verhalten des Gläubigers eine wichtige Rolle. Nur wenn aus seinem Verhalten objektiv geschlussfolgert werden kann, dass er seine Forderung nicht mehr geltend macht, verwirkt er diese auch. Ausschlaggebend ist also immer die Frage, ob der Schuldner aus dem verhalten des Gläubigers schließen durfte, dass dieser seine Forderung nicht mehr geltend macht, und ob er sich darauf auch einrichten durfte.
Bei einer titulierten Forderung dürfte das nicht der Fall sein, selbst wenn der Gläubiger 13Jahre lang nichts unternimmt. Denn die Titulierung zeigt ja gerade, dass der Gläubiger seinen Anspruch auch durchsetzen will. Das Gesetz räumt ihm hierfür nicht umsonst einen Zeitraum von 30 Jahren ein. Deshalb darf der Schuldner bei einem längeren „Ruhen der Angelegenheit“ nicht einfach davon ausgehen, dass der Gläubiger endgültig auf sein Recht verzichtet.