Insolvenz als selbstständig Tätiger: Was gibt es zu beachten?

Von Gitte H.

Letzte Aktualisierung am: 6. April 2024

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Insolvenz für Selbstständige – Das Wichtigste in Kürze

Welche Schuldner dürfen Verbraucherinsolvenz anmelden?

Die Verbraucherinsolvenz bzw. Privatinsolvenz steht nur natürlichen Personen offen, die keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben bzw. ausgeübt hat.

Gibt es keine Ausnahmeregelung, die eine private Insolvenz für Selbstständige ermöglicht?

Ehemalige Selbstständige können nur dann eine Privatinsolvenz durchlaufen, wenn sie nicht mehr als 19 Gläubiger haben und es keine offenen Forderungen aus Arbeitsverhältnissen gibt, wie z. B. nicht gezahlte Löhne oder Abgaben an die Sozialversicherung.

Darf ich mich während der Privatinsolvenz selbstständig machen?

Es besteht die Möglichkeit, trotz laufender Insolvenz selbstständig zu bleiben oder auch ein Gewerbe anzumelden. Dies bedarf aber der Zustimmung des Insolvenzverwalters, der abwägen wird, ob dieses Vorgehen die größte Befriedigung für die Gläubiger ermöglicht.

Privatinsolvenz und Selbstständigkeit sind üblicherweise unvereinbar, da für Selbstständige nur die Regelinsolvenz möglich ist.
Privatinsolvenz und Selbstständigkeit sind üblicherweise unvereinbar, da für Selbstständige nur die Regelinsolvenz möglich ist.

Wenn selbstständig Tätige insolvent sind

Wer überschuldet oder zahlungsunfähig oder von Zahlungsunfähigkeit bedroht ist, kommt meistens nicht drum herum, Insolvenz anzumelden. Wie dabei vorzugehen ist und vor allem welche Art von Insolvenzverfahren (Verbraucher- oder Regelinsolvenz) für den Betroffenen gilt, ist gesetzlich festgelegt: in der Insolvenzordnung (InsO). Hier ist auch die Insolvenz bei selbstständigen Personen und Freiberuflern geregelt.

Demnach können selbstständig Tätige keine Privatinsolvenz – oder wie sie offiziell bezeichnet wird: „Verbraucherinsolvenz“ – anmelden. Dies legt der § 304 Abs. 1 Satz 1 InsO fest. Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass als mögliches Verfahren für die Insolvenz von selbstständig Tätigen nur die sogenannte Regelinsolvenz in Frage kommt. Diese wird umgangssprachlich auch als Firmen- oder Unternehmensinsolvenz bezeichnet.

Die beiden Verfahren unterscheiden sich in einigen Punkten sehr stark voneinander: In der Regel gestaltet sich eine Privatinsolvenz einfacher. Doch wie bereits erläutert, haben Selbstständige meist keine Wahl und müssen das kompliziertere Regelinsolvenzverfahren durchlaufen.

Insolvenz für selbstständig Tätige: So läuft die Regelinsolvenz ab

Wie läuft die Insolvenz für selbstständig Tätige ab?
Wie läuft die Insolvenz für selbstständig Tätige ab?

Um die Insolvenz als selbstständig Tätiger zu beantragen, muss sich der Betroffene an das in ihrem Bezirk zuständige Amtsgericht wenden. Dieses fungiert als Insolvenzgericht, welches zunächst prüft, ob ein Insolvenzgrund vorliegt, also ob der Selbstständige überschuldet oder zahlungsunfähig bzw. von Zahlungsunfähigkeit bedroht ist. Trifft dies zu und ist ausreichend Insolvenzmasse vorhanden, um die Verfahrenskosten zu decken, wird dem Antrag stattgegeben.

Es folgt die öffentliche Bekanntgabe, dass das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, und die Ernennung eines Insolvenzverwalters. Dieser widmet sich fortan der Aufgabe, einen Insolvenzplan zu erstellen, durch den die Gläubiger so gut wie möglich befriedigt werden können. Er muss hierbei abwägen, ob es unter diesem Gesichtspunkt ratsam ist, das Kleinunternehmen des Schuldners zu sanieren oder ob es lukrativer ist, dieses aufzulösen.

Stimmen die Gläubiger dem Insolvenzplan zu, wird dieser umgesetzt. Ist die Ausschüttung der Vermögensmasse abgeschlossen, endet das eigentliche Insolvenzverfahren. Zum endgültigen Abschluss der Insolvenz muss der selbstständig Tätige nun noch eine Wohlverhaltensphase von bis zu sechs Jahren durchlaufen, bei neueren Verfahren seit Ende 2021 sind es nur noch drei Jahre. Hält er sich in dieser Zeit an sämtliche Auflagen und führt regelmäßig den pfändbaren Teil seines Einkommens ab, kann er nach Abschluss der Wohlverhaltensphase von den restlichen Schulden befreit werden (Restschuldbefreiung).

Eine Privatinsolvenz ist nur als ehemaliger Selbstständiger möglich

Unter Umständen kommt allerdings eine Privatinsolvenz für ehemals Selbstständige in Frage. Dies ist gemäß § 304 Abs. 1 Satz 2 InsO möglich, wenn deren „Vermögensverhältnisse überschaubar sind und gegen sie keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen“.

Was heißt das konkret? Vermögensverhältnisse gelten dann als überschaubar, wenn der Schuldner zu dem Zeitpunkt, zu dem er den Insolvenzantrag stellt, höchstens 19 Gläubiger hat. Hat er hingegen Schulden bei 20 Personen oder mehr, kann er keine Privatinsolvenz anmelden. Ihm steht dann nur noch das Verfahren der Regelinsolvenz offen. Ob die Vermögensverhältnisse eines ehemaligen Selbstständigen überschaubar sind, wird vom Insolvenzgericht geprüft, bevor das Verfahren eingeleitet wird.

Ob eine Privatinsolvenz für Sie als ehemals Selbstständiger in Frage kommt, hängt von der Anzahl Ihrer Gläubiger ab.
Ob eine Privatinsolvenz für Sie als ehemals Selbstständiger in Frage kommt, hängt von der Anzahl Ihrer Gläubiger ab.

Als Forderungen aus Arbeitsverhältnissen wiederum gelten Arbeitsentgelte – also Löhne und Gehälter –, Lohnsteuern und Abgaben an die Sozialversicherung. Wurde eine derartige Forderung zum Zeitpunkt der Insolvenzanmeldung noch nicht befriedigt, ist keine private Insolvenz für ehemals selbstständig Tätige möglich. Ihnen bleibt in diesem Fall ebenfalls nur die Regelinsolvenz.

Aktuell selbstständig sein trotz Insolvenzverfahren – ist das möglich?

Prinzipiell spricht nichts dagegen, aktuell selbstständig zu sein trotz Insolvenz. Auch Freiberufler können grundsätzlich weiter ihrer Tätigkeit nachgehen und müssen nicht zwangsweise ihre Praxis, Kanzlei oder Büro dichtmachen.

Ebenso ist es möglich, dass sich ein ehemaliger Angestellter selbstständig macht trotz laufender Privatinsolvenz. In diesem Fall kann er sein Gewerbe aber eben nur anmelden, wenn das Insolvenzverfahren bereits eröffnet ist. Entscheidet er sich vorher für die Selbstständigkeit, muss er stattdessen den Weg der Regelinsolvenz gehen.

Möchten Sie während einer Insolvenz selbstständig bleiben – oder z. B. ein Kleingewerbe anmelden trotz laufender Privatinsolvenz –, ist dies zumindest theoretisch machbar, denn es gibt keine gesetzlichen Vorschriften, die dies grundsätzlich verbieten würden.

Allerdings muss der Insolvenzverwalter dem zustimmen. Kommt er zu der Ansicht, dass sich der Betroffene durch die Selbstständigkeit in weitere Schuldverhältnisse verstrickt, wird er diese Einwilligung in der Regel verweigern. Ebenso kann er der Meinung sein, dass es empfehlenswert wäre, die Praxis, die Kanzlei oder das Büro zu schließen und sämtliche Ressourcen zu Geld zu machen, um auf diese Weise die Gläubiger zu befriedigen.

Selbständigkeit beibehalten während Insolvenzverfahren: Dies ist möglich!
Selbständigkeit beibehalten während Insolvenzverfahren: Dies ist möglich!

Erscheint die selbstständige Tätigkeit hingegen so lukrativ, dass sie dabei helfen kann, die bestehenden Schulden zu tilgen, ist es wiederum wahrscheinlich, dass der Insolvenzverwalter seine Zustimmung gibt. Hier sollten Sie als Schuldner einige Überzeugungsarbeit leisten, indem Sie dem Insolvenzverwalter glaubhaft versichern, dass Sie die nötigen Fähigkeiten besitzen, um Ihr Kleinunternehmen gewinnbringend fortführen zu können. Behalten Sie einen guten Überblick über Ihre Finanzen und erstellen Sie durchführbare Pläne für die Zukunft, um zu zeigen, dass Sie organisiert und motiviert sind.

Gibt der Insolvenzverwalter dem Schuldner grünes Licht, dass dieser trotz Insolvenz selbstständig bleiben oder werden kann, darf der Schuldner in der Regel eigenverantwortlich wirtschaften. Allerdings ist er dazu verpflichtet, einen bestimmten Teil des Gewinns an die Insolvenzmasse abzuführen.

Insolvenz für selbstständig Tätige – wann droht ein Berufsverbot?

Muss ein Selbstständiger bzw. ein Freiberufler Insolvenz anmelden, kann es ihm unter Umständen passieren, dass ihm ein Berufsverbot von seiner Kammer ausgesprochen wird. Dies betrifft vor allem Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und generell alle Berufsgruppen, die die Verantwortung für das Geld ihrer Mandanten tragen. Ärzte, Architekten, Handwerker und dergleichen haben jedoch nichts zu befürchten.

Auch Rechtsanwälten kann ein Berufsverbot drohen, allerdings gibt es Möglichkeiten, dies zu umgehen, indem zum Beispiel die Verantwortung für die Gelder der Mandanten an eine andere Person abgegeben wird. Dies ist beispielsweise möglich, indem sich der insolvente Anwalt in der Kanzlei eines Kollegen anstellen lässt.

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Gitte H.

Gitte hat ihren Master-Abschluss in Germanistik absolviert und viel Erfahrung im Umgang mit juristischen Fachtexten. Seit 2017 schreibt sie für schuldnerberatungen.org und verfasst Ratgeber rund ums Schuldenrecht. Ihre Schwerpunkte liegen auf den Themen Privat- und Unternehmensinsolvenz.

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