Zwangsvollstreckung bei Insolvenzverfahren

Von Gitte H.

Letzte Aktualisierung am: 31. März 2024

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Im Überblick: Zwangsvollstreckung bei Insolvenz

Können Insolvenzgläubiger während des Insolvenzverfahrens zwangsvollstrecken?

Nein, das Insolvenzrecht verbietet die Zwangsvollstreckung durch Insolvenzgläubiger während der Insolvenz. Dies besagt § 89 InsO.

Ist bei einem Insolvenzverfahren die Zwangsvollstreckung grundsätzlich unmöglich?

Nein, denn das generelle Vollstreckungsverbot gemäß der Insolvenzordnung gilt nur für Insolvenzgläubiger. Gläubigern, deren Forderungen erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind (Neugläubiger), ist die Vollstreckung trotz Insolvenz erlaubt. Lediglich die Pfändung laufender Einkünfte ist ihnen untersagt.

Wer darf eine Zwangsvollstreckung nach dem Insolvenzverfahren durchführen?

Nach dem Schlusstermin darf jeder Gläubiger zwangsvollstrecken – allerdings ist dies aus diversen Gründen in der Praxis meist nicht möglich bzw. zielführend. Nach der Wohlverhaltensphase dürfen Neugläubiger Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einleiten. Insolvenzgläubigern ist dies nur gestattet, wenn dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt wurde.

Keine Zwangsvollstreckung? In der Insolvenz gilt das Vollstreckungsverbot

Offene Schulden: Ist die Vollstreckung bei einer Insolvenz möglich?
Offene Schulden: Ist die Vollstreckung bei einer Insolvenz möglich?

Haben Gläubiger einen Vollstreckungstitel gegen ihren Schuldner erwirkt, dürfen sie Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einleiten, um ihre Forderungen durchzusetzen. Doch meldet der Schuldner Insolvenz an, wird dieser Möglichkeit ein Riegel vorgeschoben. Denn § 89 der Insolvenzordnung (InsO) sieht in diesem Fall ein Vollstreckungsverbot vor.

Aber dies bedeutet nicht, dass die Zwangsvollstreckung beim Insolvenzverfahren grundsätzlich unmöglich ist. Hier kommt es darauf an, ob es sich bei dem Gläubiger um einen Insolvenzgläubiger oder einen Neugläubiger handelt:

  • Insolvenzgläubiger: Die Forderung entstand vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
  • Neugläubiger: Die Forderung entstand nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Erstere müssen ihre Forderung beim Insolvenzverwalter anmelden, damit sie in die Insolvenztabelle aufgenommen wird. Die Insolvenzgläubiger können dann nur hoffen, dass sie im Zuge des Verfahrens aus der Insolvenzmasse befriedigt werden. Zwangsvollstrecken dürfen sie nicht mehr, da für sie das Vollstreckungsverbot gemäß § 89 InsO gilt.

Übrigens: Eine Forderung entsteht in der Regel bereits zu dem Zeitpunkt, an dem der Gläubiger die vereinbarte Leistung erbringt bzw. ein entsprechender Vertrag darüber abgeschlossen wird, und nicht erst, wenn der Gläubiger diese Leistung dem Schuldner in Rechnung stellt.

Für Neugläubiger ist eine Zwangsvollstreckung trotz Insolvenz möglich

Bessere Aussichten haben Neugläubiger, denn diese sind nur bedingt vom Vollstreckungsverbot betroffen, sodass für sie eine Zwangsvollstreckung trotz Insolvenzverfahren möglich ist. Sie müssen hier lediglich § 89 Abs. 2 Satz 1 InsO berücksichtigen:

Zwangsvollstreckungen in künftige Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis des Schuldners oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge sind während der Dauer des Verfahrens auch für Gläubiger unzulässig, die keine Insolvenzgläubiger sind.

Vereinfacht ausgedrückt heißt das: Die Neugläubiger dürfen nicht in die laufenden Einnahmen des Schuldners vollstrecken. Eine Gehalts- oder Lohnpfändung ist ihnen also nicht möglich, eine Konto- oder Sachpfändung hingegen schon.

Zwangsvollstreckung nach dem Insolvenzverfahren

Wer darf nach dem Insolvenzverfahren eine Zwangsvollstreckung durchführen?
Wer darf nach dem Insolvenzverfahren eine Zwangsvollstreckung durchführen?

Nach dem Insolvenzverfahren ist die Zwangsvollstreckung wieder erlaubt, allerdings gilt es hier einiges zu beachten. Zunächst einmal wollen wir klären, wann das Insolvenzverfahren tatsächlich vorbei und das Vollstreckungsverbot somit aufgehoben ist.

Viele Gläubiger und auch Schuldner nehmen nämlich an, dass dies erst nach Abschluss der Wohlverhaltensphase, also in der Regel erst nach sechs Jahren, der Fall ist. Dies stimmt aber nicht. Das eigentliche Insolvenzverfahren endet bereits, wenn der Treuhänder die gesamte Insolvenzmasse verwertet hat und der Schlusstermin erfolgt ist.

Die Wohlverhaltensphase für den Schuldner läuft dann zwar noch für einige Jahre, aber das Vollstreckungsverbot ist aufgehoben. In der Praxis hat eine Zwangsvollstreckung nach dem Insolvenzverfahren aber wenig Sinn, zumindest solange die Wohlverhaltensphase noch läuft.

Denn Insolvenzgläubiger erhalten während dieser Zeit ohnehin fortwährend ihren Anteil aus den pfändbaren Einkünften des Schuldners, da diese an den Insolvenzverwalter abgetreten werden müssen. Neugläubiger dürfen in diese also nicht zwangsvollstrecken, weshalb ihnen nur die Vollstreckung in das bestehende Vermögen des Schuldners bleibt. Nur sollte davon nichts mehr übrig sein, nachdem es im Insolvenzverfahren verwertet wurde.

Rechtlich ist eine Zwangsvollstreckung direkt nach dem Insolvenzverfahren also möglich, praktisch lässt sich diese jedoch meist erst nach Abschluss der Wohlverhaltensphase durchführen.

Wer kann nach der Wohlverhaltensphase vollstrecken?

Zwangsvollstreckung nach Insolvenzverfahren: Wurde die Restschuldbefreiung erteilt, dürfen nur noch Neugläubiger zwangsvollstrecken.
Zwangsvollstreckung nach Insolvenzverfahren: Wurde die Restschuldbefreiung erteilt, dürfen nur noch Neugläubiger zwangsvollstrecken.

Hat der Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Restschuldbefreiung beantragt und sämtliche Obliegenheiten während der Wohlverhaltensphase erfüllt, erteilt ihm das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung. Dem Schuldner werden damit sämtliche noch bestehenden Schulden bei seinen Insolvenzgläubigern erlassen.

Diese dürfen dann keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen mehr durchführen – es sei denn natürlich, der Schuldner häuft bei ihnen erneut Schulden an und sie erhalten einen Vollstreckungstitel. Und wird die Restschuldbefreiung verwehrt, können die Insolvenzgläubiger ihre noch offenen Forderungen ebenfalls durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eintreiben.

Wenn aber die Restschuldbefreiung erfolgt, ist der Abschluss der Wohlverhaltensphase vor allem für Neugläubiger der Zeitpunkt, die Zwangsvollstreckung nach dem Insolvenzverfahren einzuleiten. Denn nun ist es ihnen auch erlaubt, die Einkünfte des Schuldners zu pfänden.

Und sollte direkt nach der Wohlverhaltensphase bei diesem nicht viel zu holen sein, müssen die Gläubiger lediglich etwas Geduld aufbringen. Denn aus einem Vollstreckungstitel kann 30 Jahre lang vollstreckt werden.

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Gitte H.

Gitte hat ihren Master-Abschluss in Germanistik absolviert und viel Erfahrung im Umgang mit juristischen Fachtexten. Seit 2017 schreibt sie für schuldnerberatungen.org und verfasst Ratgeber rund ums Schuldenrecht. Ihre Schwerpunkte liegen auf den Themen Privat- und Unternehmensinsolvenz.

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